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Kompetenzorientierte Ankreuzzeugnisse: Ein Praxisbericht

Die Gestaltung von Zeugnissen ist eine der zentralen Aufgaben jeder Schule. Sie bieten nicht nur eine Momentaufnahme des Leistungsstandes eines Kindes, sondern auch einen Überblick über dessen individuelle Entwicklung. In unserer Schule haben wir uns vor einigen Jahren entschieden, von klassischen Freitextzeugnissen auf kompetenzorientierte Ankreuzzeugnisse umzusteigen. Dieser Blogbeitrag soll zeigen, wie wir diesen Prozess gestaltet haben, welche Herausforderungen wir bewältigen mussten und welche Vorteile das neue System mit sich bringt.


Warum ein neues Zeugnissystem?

Die Entscheidung, auf Ankreuzzeugnisse umzustellen, war das Ergebnis eines längeren Diskussionsprozesses im Kollegium. Freitextzeugnisse hatten den Vorteil, individuell zu wirken, doch die Praxis zeigte oft, dass viele Formulierungen auf vorgefertigten Bausteinen basierten. Dies führte zu einem hohen Arbeitsaufwand für Lehrkräfte, ohne wirklich individuelle Zeugnisse zu schaffen.

Unser Ziel war es, Zeugnisse zu entwickeln, die:

  • klar strukturiert und kompetenzorientiert sind,
  • den Arbeitsaufwand reduzieren,
  • die Eltern besser informieren,
  • und den Leistungsstand jedes Kindes transparent darstellen.

Im Jahr 2020 fiel schließlich die Entscheidung: Wir würden Ankreuzzeugnisse einführen.


Der Startschuss: Rahmenbedingungen klären

Diskussionen im Kollegium

In Lehrerkonferenzen und Teamsitzungen wurden zunächst die Grundlagen festgelegt. Eine der größten Herausforderungen bestand darin, eine Einigung über das Bewertungssystem zu erzielen. Wir entschieden uns für eine vierstufige Skala:

  1. Grundanforderung übertroffen
  2. Grundanforderung erfüllt
  3. Grundanforderung noch nicht durchgehend erfüllt
  4. Grundanforderung nicht erfüllt

Diese klare Abstufung sollte verhindern, dass die Skalenwerte wie Schulnoten wirken. Gleichzeitig stellten wir sicher, dass jede Kompetenz mit dieser Skala bewertet werden kann.

Einbezug der Schulaufsicht

In Gesprächen mit der Schulaufsicht definierten wir Qualitätskriterien, die unsere Zeugnisse erfüllen sollten. Dies war besonders wichtig, da die Formulare am Ende durch die Schulaufsicht genehmigt werden mussten.


Die Entwicklung der Zeugnisse

Die eigentliche Arbeit begann mit der Formulierung der Kompetenzen, die in den Zeugnissen erscheinen sollten. Hierbei folgten wir einem klaren Prozess:

1. Kompetenzen definieren

  • Ziel: Jede Kompetenz sollte eindeutig und klar formuliert sein, ohne unnötige Füllwörter oder Wertungen.
  • Herausforderung: Die Kompetenzen mussten aus den Lehrplänen abgeleitet werden. Dies erforderte eine Trennung komplexer Formulierungen aus dem Lehrplan in einzelne, klare Kompetenzen. Beispiel: Aus „Addition und Subtraktion im Zahlenraum bis 100 unter Nutzung von Rechengesetzen“ wurden getrennte Kompetenzen wie „Das Kind addiert im Zahlenraum bis 100“ und „Das Kind nutzt Rechengesetze“.

2. Arbeit in Teams

  • Erster Durchgang: Die Jahrgangsstufenteams erarbeiteten die Kompetenzen für ihre Klassenstufen.
  • Zweiter Durchgang: Die Fachteams überprüften die Formulierungen auf Konsistenz und Kontinuität von Klasse 1 bis 3.

3. Einbindung der Kolleginnen und Kollegen

Die Kompetenzlisten wurden in mehreren pädagogischen Ganztagen erarbeitet. Parallel wurde ein Handlungsleitfaden erstellt, der klar definierte, wie Lehrkräfte die Erfüllung einer Kompetenz feststellen können. Dieser Leitfaden umfasst mittlerweile 50 Seiten und dient als wertvolles Nachschlagewerk.


Technische Umsetzung der Zeugnisse

Da wir uns bewusst gegen kommerzielle Zeugnisprogramme entschieden haben, setzten wir auf eine individuelle Lösung mit LibreOffice und PDF-Formularen:

  1. Erstellung der Formulare
    • Die Zeugnisformulare wurden in LibreOffice gestaltet, wobei wir die integrierten Formulartools nutzten.
    • Über einen Seriendruck wurden die Formulare mit den Schülerdaten (Name, Geburtsdatum etc.) gefüllt und als PDF gespeichert.
  2. Ausfüllbare PDF-Formulare
    • Die fertigen PDFs enthalten anklickbare Felder (Radio Buttons) für die Kompetenzen und Textfelder für Freitextbemerkungen.
    • Die Kolleginnen und Kollegen können die Formulare direkt in der Nextcloud ausfüllen, was die Zusammenarbeit erleichtert.
  3. Ausdruck und Weitergabe
    • Nach Fertigstellung durch die Lehrkräfte werden die Zeugnisse digital überprüft, ausgedruckt und gesiegelt.

Erweiterungen: Lernlandkarten und Elternberatung

Die Einführung der Ankreuzzeugnisse brachte weitere positive Entwicklungen mit sich:

1. Lernlandkarten

Wir entwickelten grafische Lernlandkarten, die alle Kompetenzen enthalten, die in den Zeugnissen abgefragt werden. Diese Karten bieten:

  • Eine Übersicht für Eltern, wie sich die Kompetenzen über die Schuljahre entwickeln.
  • Ein Tool für Lehrkräfte, um Lernberatungsgespräche mit Schülern zu strukturieren.

2. Elternberatung

Zweimal im Jahr erhalten die Eltern eine Beratung, die auf den Zeugnisformulierungen basiert. Hierbei nutzen wir Beobachtungsbögen, die die Kompetenzen des Zeugnisses aufgreifen. Dadurch wird der Lernstand des Kindes auch außerhalb der Zeugniszeit transparent.


Vorteile des neuen Systems

Das kompetenzorientierte Zeugnissystem hat sich als großer Gewinn für unsere Schule erwiesen:

  • Transparenz: Eltern verstehen besser, was ihr Kind kann und wo es Unterstützung benötigt.
  • Klarheit für Lehrkräfte: Der Handlungsleitfaden und die Lernlandkarten geben Lehrkräften Sicherheit bei der Bewertung.
  • Verbindlichkeit: Die Kompetenzen aus den Zeugnissen fließen direkt in die Unterrichtsplanung ein.

Herausforderungen und Ausblick

Die Umstellung auf Ankreuzzeugnisse war kein einfacher Prozess. Besonders die Formulierung der Kompetenzen und die technische Umsetzung erforderten viel Zeit und Engagement. Doch der Aufwand hat sich gelohnt: Unser neues Zeugnissystem ist klarer, transparenter und nachhaltiger.

Für die Zukunft planen wir, weitere digitale Tools zu nutzen, um den Prozess weiter zu vereinfachen. Außerdem möchten wir unsere Lernlandkarten noch stärker in den Unterricht integrieren.


Fazit

Die Einführung kompetenzorientierter Ankreuzzeugnisse war ein intensiver, aber lohnender Prozess. Die Zusammenarbeit im Kollegium, die Einbindung der Schulaufsicht und die technische Umsetzung haben gezeigt, dass auch komplexe Veränderungen machbar sind, wenn sie gut geplant und schrittweise umgesetzt werden.

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